Zur Ritze und Peters Box-Team
Unser Boxraum - Entstehung
Hanne Kleine eröffnete auf der Reeperbahn eine Kneipe. Damit gründete er eine Legende. Den Anfang machte eine Malerei: Er malte rechts und links von seiner Kneipentür ein Paar entblößte Frauenbeine auf die Wand. Fortan durfte jeder Besucher an Sex denken, wenn er den Eingang zwischen den gespreizten Schenkel nahm. "Zur Ritze", so der subtile Name des Etablissements. Heute ist "Zur Ritze" weltweit berühmt und zugleich eine beliebte Sehenswürdigkeit und Kult.
Die "Ritze" ist ein Ort für harte Kerle. Zur Legende wurde die "Ritze" deshalb erst durch den zweiten Coup: Das Untergeschoss - früher eine Parkgarage - baute Hanne Kleine Anfang der 80er Jahre zum Trainingsraum für Boxer um, mit Umkleide, Sandsäcken, Boxring und allem, was sonst dazu gehört. Oben saufen, unten zuschlagen, eine Metapher auf den Kiez-Style.
Deutschlands berühmtester Sparring riecht heute, ein Vierteljahrhundert nach seiner Eröffnung, nach allem, was sich in einem fensterlosen Raum so ansammelt an Duftmarken. Durch eine gepolsterte Tür geht es hinein. Das Inventar: sechs durchgedroschene Boxsäcke, die mehrfach gegen weiteres Aufplatzen zugeklebt sind. Ein paar Punchingbälle, im braunen Noppenboden verankert. Wände, an denen zerschlissene Plakate kleben, mit den 60er Jahren beginnend, fortlaufend überklebt. In der Mitte der Boxring, um den herum eine bunte Lichterkette baumelt. Im hinteren Teil befindet sich die Umkleidekabine.
Täglich ab 14 Uhr trainieren hier Menschen verschiedenster sozialer Herkunft. Ab und an sind auch mal Frauen dabei, sehr wahrscheinlich kommen sie im Tross einer Hamburger Schauspielschule, die hier bisweilen eine Trainingseinheit nimmt. Ansonsten kommen mehrheitlich Menschen aus dem Erotikgewerbe, der Sicherheitsbranche und Jungen, die vom Beruf des Profiboxers träumen. Sozialversicherungspflichtige Freizeitsportler gibt es auch, und das ist schon etwas Besonderes. Die Ritze ist kein normaler Trainingsraum. Es gilt ein paar Benimmregeln einzuhalten, will man sich Ärger ersparen. Diese Spielregeln sind für Kiez-Neuankömmlinge eigenwillig.
Ursprünglich war der Raum für Jungs vom Kiez gedacht, und man erzählt, jeder von ihnen habe dazu etwas beigesteuert, vom Sandsack bis zur Duschtasse. Klingt nach Boxer-Kommune, und ist vielleicht auch so. Für diejenigen, die im Kiez-Universum leben. Der Boxkeller der Ritze ist legendär, weil sich hier deutsche Profiboxer auf ihre Kämpfe vorbereitet haben:
Eckhard Dagge, Henry Maske, Graciano Rocchigiani, Dariusz Michalczewski, Yavuz Keles, Hamid Rahimi, Arthur Abraham, die Klitschko-Brüder, Sven Ottke, Regina Halmich und viele weitere bekannte Boxgrößen.
Zur Legende wurde der Kampfraum mit der niedrigen Decke auch, weil hier das Milieu trainiert, und weil das Anrüchige immer eine gewisse Strahlkraft hat. An dieser Stelle soll erwähnt werden, was Boxlegende Max Schmeling einmal über die Ritze sagte: "Zu meiner Zeit haben sie noch im Wald trainiert - jetzt boxen sie schon im Puff." Schmeling war nur Gast im oberen Teil der Ritze, aber, auch so hält man Legenden am Leben, die Biografie des größten deutschen Boxers wurde vor einem halben Jahr im Boxkeller vorgestellt.
Auf Gaffer und Fremde reagiert man "Zur Ritze" eben mit Misstrauen. Benimmregel Nummer drei lautet deshalb: Immer nett grüßen.